Kapitel 1 - Grundlagen von Logik
 
 
 
1.1 Der Gegenstand der Logik zurück

Womit beschäftigt sich Logik? Was ist ihr Gegenstand? Im folgenden wird die formale Logik (mathematische Logik, symbolische Logik) thematisiert. Was also ist der Gegenstand der formalen Logik?

Die Grundlagen der modernen Logik stammen von Aristoteles, der in den Organon I-IV (insbesondere peri hermeneias) eine Logik entwirft, die drei Aufgabenbereiche unterscheidet:

    1. Lehre vom Begriff (Definitionslehre - genus proximum / Oberbegriff und differentia spezifica / Art-bildende Unterschiede);

    2. Lehre vom Urteil (Subjekt und Prädikat).

    3. Lehre vom Schluss.

Die formale Logik wird im wesentlichen als eine Theorie des Schließens verstanden. Sie beantwortet die Frage, was ein logisch gültiger Schluss ist.

Betrachten wir folgendes Beispiel:

    P1: Alle Computerlinguisten lieben Logik.

    P2: Hans ist ein Computerlinguist.

    K: Hans liebt Logik.

Diese Satzfolge ist intern strukturiert. Die einzelnen Sätze hängen derart zusammen, dass sie einen Schluss bilden. Die Sätze P1 und P2 heißen Prämissen des Schlusses, K wird Konklusion genannt. Jeder Schluss enthält eine oder mehrere Prämissen sowie (mindestens) eine Konklusion. Diese Feststellung ist bereits ein Bestandteil des Wissensbestands der Logik. Prämissen und Konklusionen sind Aussagen. Aussagen sind, im Gegensatz etwa zu Fragesätzen, Sätze, mit denen etwas ausgesagt, etwas behauptet wird. Aussagen können wahr oder falsch sein.

Was sagt nun die Logik über die Gültigkeit von Schlüssen?

    Ein Schluss ist gültig, wenn unter der Voraussetzung, dass alle Prämissen wahr sind, auch die Konklusion wahr ist.

Wird die Gültigkeit eines Schlusses im logischen Sinne behauptet, so wird damit weder die Wahrheit der Prämissen noch der Konklusion behauptet. Es wird also nicht ausgesagt, dass die Konstituenten des Schlusses wahre Sachverhalte beschreiben. Es wird lediglich behauptet, dass wenn die Prämissen wahr sind, dass dann auch die Konklusion wahr sein muss, und zwar unter der Annahme der Gültigkeit des Schlusses. Hierbei handelt es sich um eine konditionale Aussage, die auf Bedingungen der Möglichkeit der Gültigkeit von Schlüssen unter formal-logischer Perspektive zielt.

Soll der Schluss gültig sein und ist weithin bekannt, dass die Konklusion falsch ist, so muss mindestens eine er Prämissen falsch sein: Falls Hans Logik nicht liebt, so ist entweder Hans kein Computerlinguist (falls alle Computerlinguisten Logik lieben) oder aber nicht alle Computerlinguisten lieben Logik. Nur unter diesen Voraussetzungen behält der Schluss bei Annahme der Falschheit der Konklusion seine Gültigkeit.

Diese (exemplarische) Kennzeichnung von Schlüssen basiert auf der für wissenschaftliches Denken grundlegenden Sichtweise, wonach aus Wahrem nichts falsches folgen kann. Denn wäre dies so, dann könnte aus einer wahren Aussage jede beliebige Aussage gefolgert werden, ob diese nun falsch ist oder nicht.

Die formale Logik heißt nun formal, da sie von der inhaltlichen Bedeutung der Prämissen und Konklusionen abstrahiert und allein die strukturellen Beziehungen der Bestandteile von Schlüssen untersucht. Obiges Beispiel bleibt also auch dann ein gültiger Schluss, wenn das Wort Computerlinguisten durch Menschen, liebt Logik durch sind sterblich sowie Hans durch Sokrates ersetzt wird. Wir können diese Schlussregel (die einen Syllogismus darstellt) also folgendermaßen schematisieren - diese Art von Schematismus bildet zugleich ein Beispiel für das Erkenntnisinteresse der Logik:

    P1: Alle S sind P.

    P2: a ist ein S.

    K: Also gilt: a ist ein P.

Ein Syllogismus ist ein Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere. Syllogismus kommt von griechischen "syllogismós" (συλλωγισμωσ) , das soviel wie "Zusammenrechnen" heißt.

"Aus dieser Figur entsteht ein gültiger Schluss, unabhängig davon, welche Substantive, Adjektive und Namen man für S, P und a einsetzt." (Kutschera / Breitkopf 1985:11). Die Gültigkeit des Schlusses beruht also nicht auf der Referenz und / oder Bedeutung etwa speziell des Ausdrucks P, sondern auf einer Art abstraktem, strukturellem Verhältnis zwischen den einzelnen Begriffen.

"Solche Begriffe, die gültig sind aufgrund abstrakter begrifflicher Beziehungen, nicht aber nur aufgrund der besonderen sachbezogenen Bedingungen, die für die Gegenstände gelten, auf die sich die Prämissen und die Konklusion beziehen, nennt man auch formal gültig." (Kutschera / Breitkopf1985:11). Sie bilden den Gegenstand der formalen Logik.

Wir fassen zusammen:

    1. Die formale Logik ist nicht an irgendeine Einzelsprache gebunden. Die Sprachmittel der Logik können aber als solche im Rahmen einer (formalen) Metasprache verwendet werden, mit deren Hilfe etwas über einen sprachlichen Gegenstand (Einzelsprache, Sprachausschnitt, etc.) ausgesagt werden soll (Logik als Modellsprache). Ein prominentes Beispiel ist die "logische Grammatik" bzw. modelltheoretische Semantik". Die Logik beschreibt also nicht irgendeine Einzelsprache. Sie ist nicht normativ, da sie nicht die vermeintlich "korrekte" Verwendung von Zeichen einer Sprache "vorschreibt".

    2. Die Logik untersucht vielmehr die allgemeinen, formalen Eigenschaften von Schlüssen, die ihre formale Gültigkeit bedingen. Die Wahrheit / Falschheit elementarer Aussagen wird in der Logik nicht untersucht: Wenn ich sage: "Es schneit.", dann kann ein Dritter "überprüfen", ob meine Aussage "wahr" oder "falsch" ist oder nicht, ob sie also einen Sachverhalt beschreibt, der im jeweiligen Aussagekontext zutrifft oder nicht. Die Logik stellt keine Prozedur zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes solcher Aussagen bereit.

    3. Kontextfreiheit: Ein logisch gültiger Schluss behält diese Eigenschaft, wann, wo und von wem auch immer dieser produziert wird.

    4. Für die formale Logik ist es vollkommen gleichgültig, welche Bedeutung dieses oder jenes Wort, welches im Schluss Verwendung findet, in der jeweiligen Sprache besitzt. Die Korrektheit eines logischen, formalen Schlusses hängt ausschließlich von seiner logischen Form ab, und nicht von der tatsächlichen Bedeutung seiner Teilsätze.

    5. Die Logik untersucht logisch denkbare, logisch zulässige, logisch mögliche Strukturen. Sie untersucht die denkbaren Möglichkeiten, die sich aus gewissen gegebenen oder nur angenommenen Voraussetzungen ergeben.

    6. Die Logik ist weder eine beobachtende, noch beschreibende, sondern ein formale Disziplin.